ein platz. ein weiter platz. ein heißer platz. die sonne verbrennt mir den nacken.
tauben überall. diese tauben, die flattern. gefüttert von menschen. baden in einem kleinen brunnen. kühlen sich ab.
es strahlt die fassade des nationaltheaters, der oper. einem triumphbogen ähnlich. jedoch nicht verspielt, verziert. sondern glatt und einschüchternd. monumental.
faschistisch.
das der erste eindruck trügt nicht. ist geschichte:
als franz-joseph-theater, genauer: als ferenc józsef színház 1875 eröffnet,
gebaut von den architekten helmer und fellner, die so viel geplant und gebaut in der k. u. k. monarchie. damals vor dieser fassade eine stadtmauer. mauerreste. überall in der stadt noch reste von basteien. die geschleift. abgetragen. eine festung nicht mehr nötig.
foto: www.temeswar-timisoara.net
wurde promenade geschaffen, der corso und gegenüber surogat genannt das flanierpflaster. in seiner gesamtheit so der opernplatz.
auf dem ich stehe und schaue auf diese monumentale glänzende weiße fassade, entworfen vom architekten duiliu marcu.
bewunderer des mussolini-stararchitekten marcello piacentini. in den 1930er jahren gebaut.
darf sie schön finden. entscheide ich. obwohl sie. mit ihrer vergangenheit so vor mir glänzt. in der sonne glänzt. mich blendet.
im park gegenüber steht die statue der wölfin mit romulus und remus. geschenk der italienischen faschisten. als ausdruck der verbundenheit zum untergegangen römischen imperium, welches seine sprache hier hinterlassen hat. und solche statuen im ganzen land.
links und rechts haben sie in den nullerjahren die fenster wieder freigelegt. links und rechts den faschismus entfernt und die alte monarchie freigelegt.
unter dem bogen, mittendrin im triumph wurde verkündet.
1989 als der diktator auf einer reise. als ceauşescu fort. als er in teheran gewesen, standen auf diesem balkon menschen, die verkündeten:
timișoara die erste freie stadt rumäniens.
vom kommunismus befreit. von der diktatur befreit. und sammelten sich menschen auf dem platz des sieges. piata victoriei. jubelten.
libertate, libertate, jos ceauşescu! 80.000 bis 90.000 menschen im chor auf diesem platz nieder mit ceauşescu! freiheit, freiheit!
foto: catalin regea
hier begann die revolution. in dieser stadt. von hier aus nahm sie ihren lauf.
die revolution, die wir alle damals im fernsehen verfolgt.
euphorisch.
doch dann blutig.
der dikator kam zurück. nahm den menschen ihre freiheit wieder. ließ auf die menschen schießen. von diesem balkon aus auch auf die menschen schießen.
ließ panzer in dieser stadt rollen. ließ soldaten aufmarschieren. ließ leichen fortschaffen, verbrennen, verscharren.
eine frau mit ihren einkaufstaschen. fiel tot zu boden. ein mädchen im schlaf in ihrem bett von einer kugel getroffen.
menschen rannten zur kathedrale. fanden die türen verschlossen. starben dort auf der treppe.
revolutionsgeschichten. überall. erinnern heute tafeln und denkmale daran.
foto: catalin regea
in der erinnerung, im kollektiven gedächtnis bleibt im fernsehen der diktator winkend. am balkon. in das mikrofon. alo, alo.
der diktator und seine diktatorengattin zum hubschrauber rennend.
das paar aus dem panzer mit erhobenen händen.
das paar in der ecke eines zimmers. ihre blicke. die alles nicht ernst nehmen, was geschieht
N
eine lüge!
falș*
ich antworte nur vor der großen nationalversammlung!
das hier ist
eine maskerade
von ausländischen spionen
E
nur die große nationalversammlung kann
unsere ämter aufheben!
N
ich antworte vor diesem gericht nicht.
ich erkenne dieses gericht nicht an!
ich anerkenne nur die verfassung dieses landes!
antworte nur vor der großen nationalversammlung!
marea adunarea națională
und rollt das r nicht. wie er es immer getan. doch wirkt es in dieser situation noch lächerlicher. dass er mit seinem sprachfehler unser aller leben so dermaßen, dass dieser bauer unser leben so
bilder von den gebundenen händen der diktatorengattin. ihre verzweiflung.
E
nu!
nu!
împreună!
zusammen. haben alles zusammen. zusammen wollen wir sterben.
zusammen wurden sie im innenhof dann hingerichtet. erschossen. angeblich summte er dabei die internationale.
die kamera kam viel zu spät.
alle bilder, die von der erschießung stammen, sind bilder eines re-enactments von milo rau.
im fernsehen, im kollektiven gedächtnis das tote führerpaar. diese glotzenden puppenleichen.
hier heute ein denkmal vor der kathedrale. mit namenlosen heldinnen und helden.
und der balkon ist heute historisch. muss so bleiben.
hier nahm dies ende seinen anfang.
foto: catalin regea
*ș = rumänisch sch
