ich verabschiede mich. vor dem eingang der innerstädtischen synagoge eine menschentraube. am 21.09.2023. standen alle an um die szenische lesung SIDY THAL a schtikl zu sehen. eine veranstaltung im rahmen des europäischen theaterfestivals eurothalia.
eine veranstaltung, bei der sieben institutionen miteinander kooperierten:
das deutsche kulturforum östliches europa, das deutsche staatstheater temeswar, das deutsche konsulat temeswar, das demokratische forum der deutschen im banat, die jüdische gemeinde temeswar, die moses mendelssohn stiftung berlin und das projektzentrum / centrul de proiecte der stadt temeswar.
meine verabschiedung als stadtschreiber in temeswar.
die synagoge voll. in der mitte schwarze stühle aufgestellt. mussten viele noch dazu. auf den stühlen blaue broschüren. angefertigt von der moses mendelssohn stiftung. darin materialien und informationen zu hintergründen des anschlags. bilder. zitate.
der kontrabass spielt. mit dem klavier. beim einlass eine atmosphäre.
in den vier ecken die vier schauspieler. formen den chor.
stadtstimmen, die erklingen. werden zu vater und sohn. ein jüdisches ehepaar. wird zweisprachig gelesen aus dem israelischen kurier vom 9. januar 1938.
was geschehen am abend des 26. november 1938? wie die stimmung damals? ein billeteur erinnert sich an jenem abend im theatersaal. erinnert sich an den mann, der nach schnaps roch. macht sich vorwürfe.
hätte ich / ar fi / ar fi trebuit să / hätte ich ihm / hätte ich ihm den eintritt verwehren sollen? / ar fi trebuit să nu-l las înăuntru?
eine theatertruppe aus czernovits macht sich bereit für die tournee
durch’s ganze land / jetzt?
spielt musik. es spielt das klavier. spielt und spielt ein lied der sängerin SIDY THAL. bis plötzlich die klavierspielerin leblos auf den tasten liegt. der schrille ton verhallt.
was ist passiert? was ist? was / geschehen? / hat ein blitz eingeschlagen / hier? / war ein donner. dröhnen mitten im saal. / ein knall. / eine bombe? nein. / geht es los? auch hier?
die rekonstruktion eines abends, an dem menschen verstorben und zahlreiche verletzt wurden. ein ereignis, das sich in die temeswarer stadtgeschichte eingeschrieben.
etwas bleibt. bleibt noch da. bleibt ein stück. und nehme selbst von temeswar ein stück mit in mir. das bleibt. erinnerungen. entdeckungen. lehren. begegnungen. danke für diese zeit!
bald wird vom rathaus eine plakette am theater angebracht. in gedenken an die vier todesopfer des attentats vom 26.11.1938, bei dem auch zahlreiche menschen verwundet und traumatisiert wurden:
BERTHOLD EKSTEIN
HELEN HIRSCH
SIMON HIRSCH
IZIDOR SZEGALL
eine weitere aufführung von SIDY THAL – a schtikl als gedenkveranstaltung,
am tag des anschlags, 85 jahre später.
